TEXT DAS ENDE

 

Das Ende

Alles geht einmal zu Ende. Manches wird beendet und endet in einem Ende mit Schrecken – oder findet auch ein gutes Ende. Endlich ist das Leben, endgültig manche Entscheidung, unendlich manche Freude. Auf zum Endspurt!

 

 

Sprecher:
Ende
– ein kleines Wort mit nur vier Buchstaben. Ein Wort, das es allerdings in sich hat. Wir begegnen ihm in der deutschen Sprache täglich und das in recht unterschiedlicher Form: als Substantiv, als Verb, als Adjektiv und als Adverb. Ende, Endung, beenden, endlos, endlich – und dann die zahlreichen Wortkombinationen mit der Silbe end-, zum Beispiel die zusammengesetzten Hauptwörter Endreim, Endstand, Endvokal, Endfassung, Endergebnis, Endlager,Endgeschwindigkeit. Aber auch die Adjektivverbindung mit „end-„: endgültig. Das Wort „Ende“ und seine engen Verwandten wirken auch kräftig in der Literatur und in der Alltagssprache mit. Als Gegensatz zum tatsächlichen Ende, von dem es kein Zurück mehr gibt, bedarf es nur des kleinen, aber durchaus nicht belanglosen Wortes „ohne“. Ohne Ende bedeutet genau das Gegenteil von „Ende“: immerwährend. Rainer Maria Rilke bediente sich dieser wirksamen Wortkombination in seinem Gedicht „Die Rosenschale“. Dort heißt es:

Rezitator:
„Lautloses Leben, aufgehen
ohne Ende.“

Sprecher:
Das Wort „Ende“ zieht sich schier
endlosdurch die deutsche Sprache, um die sich auch der Reformator Martin Luther verdient gemacht hat. In seiner Bibelübersetzung finden wir „Ende“ gleich 324 Mal. Zum Beispiel im Ersten Buch Mose, Kapitel 47. Diese Stelle handelt von der großen Hungersnot in Ägypten. Josef kauft für den Pharao die Äcker der notleidenden Menschen auf. Es heißt dann:

Rezitator:
„Und er machte das Volk leibeigen
von einem Ende bis an das andere.“

Sprecher:
Von einem Ende bis an das andere
: Hier wird die Weite, der Raum des Landes beschrieben. Es soll so viel heißen wie „im ganzen Land“. Endung, beenden und beendigen stehen übrigens nicht in der Bibel, und das Adverb endlich finden wir nur sieben Mal. Endlich zielt auf das Ende einer Wartezeit ab. Meist betont es eine Stimmung. Wir sagen etwa nach langem Warten an der Haltestelle: „Endlich kommt der Bus!“ „Endlich“ kann auch gebraucht werden, um eine Situation im Ausdruck zu verstärken. Zum Beispiel, wenn man nach langen Erklärungen einem Schüler ungeduldig zuruft: „Nun begreif' doch endlich!“ Schlagen wir dazu noch einmal die Bibel auf und hören wir, was Hiob seinem Freund Bildad sagt:

Rezitator:
„So merk' doch
endlich, dass Gott mir Unrecht getan und mich mit seinem Jagdnetz umgeben hat.“

Sprecher:
Wenn jedoch „
etwasendlich ist, wandelt sich das Adverb zum Adjektiv. Endlich in Raum und Zeit – in der Mathematik kennen wir eine endliche Zahl. Das Gegenteil von diesem Eigenschaftswort lautet unendlich. Wer unendlich Zeit hat, hat viel Zeit oder sogar immer Zeit. Wenn jemand betont, er freue sich unendlich über ein Geschenk, so bedeutet das aber nicht, er könne gar nicht mehr aufhören sich zu freuen, sondern nur, dass er sich über das Geschenk sehr freut. Die Umgangssprache bedient sich ebenfalls – und das nicht zu knapp – des Wörtchens „Ende“. Die amüsanteste Redewendung lautet:

Rezitator:
Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei!

Sprecher:
Diese Redewendung ist originell. Sie verneint scherzhaft die unveränderliche Tatsache, dass alles wirklich einmal
zu Ende geht, indem das Beispiel eines Wurstrings gebraucht wird, der bekanntlich zwei Enden hat. Auch gerne verwendet wird dieser Ausspruch:

Rezitator:
Ende gut, alles gut!

Sprecher:
Schließlich kennt ja jeder von uns eine Situation, in der wir aufatmen und darüber glücklich sein können, dass etwas ein
gutes Ende genommen oder gefunden hat. Alles ist noch einmal gut gegangen! Vielleicht bleibt bei manchem dennoch die Befürchtung, es könnten die größten Probleme noch auf einen zu kommen. Dann stöhnt man ahnungsvoll:

Rezitator:
Das dicke Ende kommt noch!

Sprecher:
Wie auch immer: Das dicke Ende ist meist ein
Ende mit Schrecken. Auch das ist ein Bibelspruch. In Psalm 73 übersetzt Martin Luther in Bezug auf die gottlosen Menschen:

Rezitator:
„Wie werden sie so plötzlich zunichte? Sie gehen unter und nehmen
ein Ende mit Schrecken.“

Sprecher:
Das Zitat griff zu Beginn des 19. Jahrhunderts der preußische Offizier Ferdinand von Schill auf. Am 12. Mai 1809 hielt er auf dem Marktplatz in Arneburg an der Elbe eine emotionale Rede gegen den französischen Kaiser Napoleon, der Preußen in Kriegen empfindliche Niederlagen beigebracht hatte. Schill wollte einen Aufstand gegen Napoleon auslösen und rief:

Rezitator:
„Lieber
ein Ende mit Schrecken, als ein Schrecken ohne Ende!“

Sprecher:
Für den preußischen Offizier und seine Soldaten kam das schreckliche Ende dann recht bald. Schill wurde 19 Tage nach seiner Rede im Straßenkampf getötet. Elf seiner Offiziere wurden standrechtlich erschossen, 500 Soldaten als Sklaven auf Galeeren verbannt. Wer
ein Ende mit Schrecken erlebt, erfährt ein schlimmes Ende oder auch bitteres Ende. Sagt jemand: „Du musst bis zum bitteren Ende bleiben“ heißt das, dass man als Letzter in einer unangenehmen Situation ausharren muss. Diese Redewendung bezieht sich auf den unteren Teil einiger Gemüsesorten – wie beispielsweise Chicorée –, der oft bitter ist. Man kann danach dann mit seinen Nerven am Ende sein. Sein Ende, seinen eigenen Tod, nahen fühlen, muss man aber nicht oder gar in Endzeitgedankenverfallen, darüber nachdenken, wie schlimm alles in Zukunft sein könnte. Im Endeffekt bringt das nämlich gar nichts! Wenn man sich so verhalten würde, wäre das so, wie es Shakespeare im „Sommernachtstraum“ ausdrückt:

Rezitator:
Das ist der Anfang vom Ende!

Sprecher:
Wer diese Redewendung verwendet, will sagen, dass es von diesem Punkt an nur noch schlechter werden kann. Allerdings muss etwas nicht immer ein
trauriges Ende nehmen. Es kann auch gut enden. Und wer Schlimmes überstanden hat, mag voller Hoffnung ausrufen:

Rezitator:
Alles hat einmal ein Ende!

Sprecher:
Im Sport setzt der Läufer bekanntlich kurz vor dem Ziel zum
Endspurt an. Das wollen auch wir nun tun. Kommen wir also zur eigentlichen Bedeutung des Wortes „Ende“: das „Ende“ ist der äußerste räumliche Punkt, die Stelle, wo etwas aufhört, der allerletzte Teil eines Gegenstandes zum Beispiel. Es gibt auch das Ende einer Wegstrecke, eines Romans, eines Erlebnisses, einer Zeit, eines Liedes – und unseres Lebens. „Ende“ bedeutet: Schluss! Aus! Nichts geht mehr! Und wenn die Uhr am Jahresende Punkt Mitternacht schlägt, ist klar: das Jahr ist zu Ende.